Die BVV möge beschließen:
- Das Bezirksamt wird ersucht, für die Siedlung „Am Steinberg“ (mit den Grundstücken in der Straße Am Brunnen, Am Rosensteg, Kehrwieder, An der Heide 1-12 und Myrtenweg 23) unabhängig vom Prüfauftrag der Drucksache 0640/XIX-01 unverzüglich eine Umstrukturierungssatzung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu erlassen, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf sämtlicher Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu ermöglichen.
- Gemäß § 172 Absatz 5 BauGB wird das Bezirksamt ersucht, innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Gebietssozialplan nach § 180 BauGB erstellen zu lassen. Dabei sollen die Vergabe und die Steuerung des Prozesses zur Erstellung des Gebietssozialplans durch den Bezirk im Einvernehmen mit der BVV vorgenommen werden. Im Gebietssozialplan sollen folgende Inhalte berücksichtigt werden:
- Die Mietspiegelwerte werden (ohne Berücksichtigung von Sondermerkmalen) nach Modernisierung eingehalten.
- In Wohnungen von Empfängern nach SBG II und SGB XII dürfen die Mietkosten nach der Modernisierung die Werte der Wohnkostenrichtlinie der genannten Leistungsempfänger nicht übersteigen.
- Jeder Mieter kann nach Abschluss der Maßnahmen in seine Wohnung zurückkehren. Für diese werden für den Zeitraum der Sanierungsarbeiten Umsetzwohnungen bereitgestellt. Auf Wunsch der Mieter kann auch ein versetzter Umzug erfolgen. In beiden Fällen ist keine (neue oder höhere) Kaution zu erheben. Bestehende Mietverträge sind anzupassen, so dass keine Neuvermietungen erschlichen werden.
- Der Umgang mit bereits abgeschlossenen Modernisierungsvereinbarungen und die tatsächliche Umsetzung baulicher Maßnahmen in den betroffenen WE werden im Sinne betroffener Mieter geregelt.
- Sämtliche gegen Mieter bereits anhängigen Klageverfahren sind einzustellen.
- Es wird eine eigentümerunabhängige Mieterberatung (nachfolgend „Mieterberatung“) mit der Erstellung des Gebietssozialplans durch das Bezirksamt beauftragt. Die Kosten für die Erstellung des Gebietssozialplans sollen unter Anwendung von § 180 Absatz 3 Nr. 2 BauGB die Vermieter übernehmen
- Zur Sicherung einer optimalen Beratung der Mieter wird das Bezirksamt ersucht, im Einvernehmen mit der BVV die Mieterberatung mit der Durchführung des Gebietssozialplanes zu beauftragen. In der Durchführung ist auf eine sozialverträgliche Umsetzung der Maßnahmen, besonders auf den Verbleib der bisherigen Mieter in der Siedlung unter deren geringstmöglicher Belastung sowie auf die Einhaltung der in Punkt 2 genannten Kriterien hinzuarbeiten. Die entstehenden Kosten sind von den Eigentümern zu übernehmen.
- Durch die Mieterberatung soll eine Mustermodernisierungsvereinbarung im Einvernehmen mit Bezirksamt und BVV erstellt werden. Für Mieter, bei welchen die von den Eigentümer geplanten Maßnahmen aufgrund ihrer finanziellen Situation oder ihrer persönlichen Lebensumstände zu einer begründeten Härte führen, ist eine besonders abgestimmte Modernisierungsvereinbarung vorzulegen. Auf deren Grundlage sollen wohnungsbezogen (ggf. auch individualisierte) Modernisierungsvereinbarungen zwischen den jeweiligen Mietern und den Eigentümern abgeschlossen werden. Die Mieterberatung begleitet diesen Prozess und führt die dazu erforderlichen Beratungsgespräche eigenverantwortlich durch.
- Das Bezirksamt wird ersucht, auch innerhalb des späteren Genehmigungsverfahrens darauf hinzuwirken, dass die umfangreichen Baumaßnahmen sozialverträglich erfolgen.
- Mit Aufstellungsbeschluss über die Rechtsverordnung ist den Eigentümern die Genehmigungspflicht sämtlicher Baumaßnahmen gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB mitzuteilen. Es soll eine vorläufige Untersagung von Maßnahmen gemäß § 15 Absatz 1 Nr. 2 BauGB ausgesprochen werden. Die Entscheidung über Zulässigkeit von Bauvorhaben ist gemäß § 15 Absatz 1 Nr. 1 BauGB für bis zu zwölf Monate auszusetzen, in denen der Gebietssozialplan erstellt werden soll.
- Die Bewohner der Siedlung „Am Steinberg“ sind unverzüglich durch das Bezirksamt mit einem Schreiben über die veränderte Rechtssituation und die beabsichtigte Vorgehensweise zu informieren.
Begründung
Die BVV Reinickendorf ist grundsätzlich mit einer familienfreundlichen und altersgerechten Umgestaltung der Siedlung und einer angemessenen Sanierung der Gebäude einverstanden. Gleichzeitig sollen ältere Bewohner und Einwohner mit geringeren Einkommen im Quartier verbleiben. Die Interessen der Bestandsmieter müssen daher eine viel stärkere Beachtung als bisher finden.
Die Kleinhaussiedlung wurde 1919/1920 als Gemeindesiedlung Tegel errichtet und weist eine zusammenhängende einheitliche städtebauliche Struktur auf, die als Gesamtanlage unter Denkmalschutz steht. In den Gebäuden wohnen viele älterer Menschen sowie viele Menschen mit geringen Einkommen. Die Gebäude weisen zum Teil einen erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsrückstand auf, so dass der Ausstattungsstandard in Teilbereichen deutlich unter dem heute üblichen Niveau liegt. Einzelne Gebäude befinden sich noch im Zustand der Errichtung. Daher sind umfangreiche Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten nachvollziehbar, um die Versorgung der Bewohner mit angemessen heutigen Wohnstandards zu erreichen.
Neben der teilweisen Veränderung des Wohnungsschlüssels und der Veränderung der Wohnungsgrundrisse sowie der nahezu vollständigen Neuausstattung von Bädern und Küchen sollen auch die Grünanlagen bzw. Gärten eine Neugestaltung erfahren und teilweise in Stellplätze umgewandelt werden. Diese Eingriffe stellen eine städtebauliche Umstrukturierung dar, die zugleich als die besonderen städtebaulichen Gründe für eine soziale Erhaltungssatzung gemäß § 172 BauGB einzustufen sind-
Die Einhaltung der Kriterien für Milieuschutzgebiete reicht dafür bei weitem nicht aus. Die sozialen Belange werden bei Mietsteigerungen um ca. 1.300EUR pro Wohnung schlichtweg ignoriert. Das kann die BVV Reinickendorf auch deshalb nicht unterstützen, da diese Mieter teilweise schon seit über 40 Jahren in den Gebäuden wohnen, über wenig finanzielle Möglichkeiten verfügen und ein hohes Alter erreicht haben. Den Mieter ist daher finanziell entgegenzukommen. Gleichzeitig ist es erforderlich, dass die sanierungsbedingten Belastungen während der Bauarbeiten und notwendige Umzüge auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Beides kann nur mit dem Instrument der vom Gesetzgeber zu diesem Zweck formulierten Umstrukturierungssatzung oder einer Abwendungsvereinbarung erfolgen, die entsprechende Vereinbarungen zwischen Bezirksamt und Eigentümern zum Inhalt hat. Deshalb schlägt die BVV die Siedlung „Am Steinberg“ für die Ausweisung als Umstrukturierungsgebiet vor. Damit soll zugleich das Sanierungsansinnen unterstützt und in einem klar strukturierten sozialen Belangen gerecht werdenden Prozess übergeleitet werden.
Durch die Ausweisung als Umstrukturierungsgebiet kann außerdem der Verwaltungsaufwand für verschiedenste Genehmigungen im Zusammenhang gesehen werden, so dass von einem deutlich vereinfachten Verfahren ausgegangen werden kann, mit dem der Zeit- und Kostenaufwand reduziert werden kann. Gleichzeitig kann ein sozialverträgliches Verfahren für die Bestandsmieter eingeleitet werden. Hinzuziehende Neumieter erhalten ein hohes Maß an Planungssicherheit, da Eigentümer und Bezirk gemeinsam agieren.
Das im Umstrukturierungsgebiet anzuwendende Sozialplanverfahren bietet den Bestandsmietern während der eigentlichen Umstrukturierung einen höheren Schutz als bei einer Festsetzung als Milieuschutzgebiet. Nach Abschluss der Arbeiten entfällt der Bedarf der Festsetzung als Umstrukturierungsgebiet, so dass es sich um eine vorübergehende Bindung handelt. Die Ausweisung als Erhaltungsgebiet gemäß § 172 Absatz 1 Satz Nr. 1 BauGB würde sich ausschließlich auf die Bausubstanz beziehen, die aber verbessert werden soll. Die Ausweisung als Milieuschutzgebiet § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB ist für den Schutz der Bestandsmieter vor mietkostenbedingter Verdrängung nach Modernisierung nicht ausreichend.
Zur Genehmigungspflicht baulicher Maßnahmen nach § 172 BauGB wird auf die einschlägigen en Kommentare von Battis/Krautzberger/Löhr verwiesen.
Die Beauftragung einer vom Eigentümer unabhängigen Mieterberatung beugt Missverständnissen und Irritationen vor und sichert einen ordnungsgemäßen Ablauf des Sozialplanverfahrens und der baulichen Umstrukturierung.
Die Umstrukturierungssatzung wurden in den Bezirken Pankow und Lichtenberg bereits erfolgreich angewendet und ist daher das geeignete Steuerungsinstrument für die Siedlung „Am Steinberg“.
Gilbert Collé, Ulf Wilhelm
sowie die übrigen Mitglieder der SPD-Fraktion